„Ich lebe, also verbrauch‘ ich!“

Nicht nur reden, sondern auch machen: 20 Schüler aus ganz Deutschland haben die Bundesregierung (Reden) auf ihre Energiewende-Ergebnisse (Machen) überprüft. Die Hybridbusse der Berliner Verkehrsbetriebe haben die Nachwuchspolitiker überzeugt und zu einer Diskussion im Bundestag über ganz eigene umweltfreundliche Ideen angeregt.

Von Lena Kessler

Herr Fonczyk erklärt den Hybridbus
Herr Fonczyk erklärt den Hybridbus
Donnerstag, 10 Uhr auf dem Gelände der Berliner Verkehrsbetriebe in Berlin Spandau: 20 Schüler sitzen in Zweierreihen in einem Linienbus. Andächtig lauschen sie einem gut gelaunten, an seinem Dialekt unverkennbaren Mitarbeiter der BVG. Sein Name ist Jürgen Fonczyk, er ist technischer Leiter der BVG und gebürtiger Hauptstädter.

Was zunächst nach einer üblichen Klassenfahrt klingt, ist in Wahrheit eine Exkursion von Schülern aus ganz Deutschland, die mit ihren kreativen Projekten beim 60. Europäischen Wettbewerb die Teilnahme an einer ganz besonderen Workshop-Reihe gewonnen haben. Unter dem Titel „Energiewende in Deutschland – ein Modell für Europa?“ laden die Deutsche Gesellschaft e.V. und der Deutsche Bundestag engagierte, junge Menschen aus 20 Schulen ein, mit Experten der Deutschen Gesellschaft zu diskutieren und an spannenden Exkursionen zu einer von der EU geförderten Institution der Region teilzunehmen. Die Veranstaltungsreihe wird vom Bundespresseamt gefördert.

So entpuppt sich der Linienbus, in dem die 20 Schüler und vier Referenten des Deutschen Bundestages und der Deutschen Gesellschaft vor dem anhaltenden Regen an diesem Morgen Schutz suchen, als innovativer Hybrid-Bus.

Ist sauber gleich teuer?

Techniker zeigt Motorraum
Ein Techniker zeigt den Motorraum des Hybridbusses
Während der große „Aha“-Effekt im Inneren des Busses vorerst ausbleibt, staunen die Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren beim Besuch der riesigen Werkstatt nicht schlecht. Stolz zeigt Werkstattleiter Fonczyk einen der zu 50 Prozent von der EU geförderten Hybrid-Busse, klärt über Sicherheitsrisiken auf und gewährt tiefe Einblicke in den Motorraum. Auf dem Dach thront ein 42 Kilogramm schwerer Wasserstoffkanister, der den Bus für eine Laufleistung zwischen 150 bis 200 Kilometer mit Brennstoff versorgt – und dabei saubere Luft hinterlässt.

Felix, 17 Jahre, kommt aus Baden-Württemberg und will wissen, warum dann nicht alle der 1.200 BVG-Busse mit Wasserstoff fahren. „Ein Kilogramm Wasserstoff kostet derzeit 6,52 Euro“, so Fonczyk. „Derzeit ist die Herstellung einfach noch zu teuer. Außerdem kostet ein solcher Omnibus zwischen 750.000 und 800.000 Euro in der Anschaffung, ein Diesel-Fahrzeug nur 300.000 Euro.“ Zwar wünscht man sich hier bei der BVG einen derartig vielversprechenden Beitrag zur Energiewende, jedoch sind Hybrid-Busse eine teure Alternative.

Lilian-und-Pana
Lilian und Pana
„Aber ließen sich die laufenden Kosten denn nicht über den Fahrpreis finanzieren?“, fragt Gesa, ebenfalls 17 Jahre und aus Hildesheim, nach. Wenn sie dafür bereit wäre, für jedes Ticket im Schnitt fünf Euro zu bezahlen, dann schon. Merke also, sauber = teuer.  Lilian, 17 Jahre und Pana, 20 Jahre, würden gern einen Beitrag zur Energiewend leisten und finden die Initiative der BVG vielversprechend. „Aber fünf Euro für ein Ticket ist einfach zu viel. Selbst unsere Schülermonatskarten sind schon jetzt zu teuer.“
Insgesamt sind derzeit 47 Hybridbusse in zehn Städten in ganz Deutschland auf den Straßen, davon 14 in der Hauptstadt. Damit liegt Deutschland in Europa an der Spitze, schließlich fahren derzeit gerade einmal 101 Wasserstoffbusse in ganz Europa.

Auf die Plätze, fertig… Debattieren!

Nicht mit dem Hybrid-Bus, dafür aber mit der Bahn geht es im Anschluss zum Deutschen Bundestag. „Die Schüler sollen das Gefühl bekommen, etwas bewegen zu können, Teil zu haben an der Energiewende“, erklärt die Referentin der Deutschen Gesellschaft Alina Jackisch beim gemeinsamen Mittagessen im Paul-Löbe-Haus des Bundestags. „Viele junge Menschen wollen sich engagieren und wir wollen sie dabei unterstützen. Deswegen wählen wir für unsere Workshops auch aktuell-politische Themen aus, die auch die Lebenswelt der Schüler betrifft. Eins davon ist beispielsweise die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs.“ Im Ländervergleich bekommen die Schüler ein Bild von der Energiewende in Europa, damit sie sehen, was sie selbst hier in Deutschland denn überhaupt bewirken können.

Gesa-und-Franziska-im-Bundestag-beim-Vortrag
Gesa und Franziska im Bundestag beim Vortrag
Dem praktischen Teil folgt nun der theoretische. Doch bevor es zur Diskussionsrunde im Sitzungssaal kommt, erhalten die 20 Gewinner des Projekts noch eine besondere Belohnung: Bundestagspräsident Dr. Nobert Lammert empfängt die Schüler im Reichstagsgebäude zum gemeinsamen Gruppenfoto und gratuliert. Das sorgt für viele neugierige Blicke der Touristen, die von der gläsernen Reichstagskuppel auf unsere Gruppe hinunterschauen.

Deutschland macht‘s vor, der Rest zieht nach

Nach einem Vortrag von Alina Jackisch über die Energiewende in Deutschland nehmen die Schüler auf den weichen, tiefen Stühlen des Sitzungssaales Platz. Etwas eingeschüchtert wirken sie zunächst von dem hohen, runden Raum und den Mikrofonen an ihren Tischen, die auch sogleich von Gesa und Lennart, in Beschlag genommen werden. „Ich lebe, also verbrauch‘ ich“, so der 17-jährige Schüler aus Baden-Württemberg, der gerade seinen Führerschein macht. „Dieser Verbrauch muss aber deutlich reduziert werden.“ Er sieht die Zukunft in der Elektro-Mobilität, ebenso wie die Bundesregierung, die bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bringen will. Gesa jedoch sieht das eher kritisch: „Und wo soll der Strom für so viele Autos herkommen, wenn es keine Atomkraftwerke mehr gibt?“ Diese Frage bleibt wohl leider vorerst ungeklärt.

Gesa-betrachtet-Hybridauto-für-1-Million
Gesa betrachtet Hybridauto für 1-Million
Annalena, 17 Jahre, würde später gern mehr für ein Busticket bezahlen, wenn sie dafür mit sauberer Luft zur Arbeit käme. „Allerdings komme ich aus einer kleinen Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Solange die Reichweite der Hybrid- oder Elektrobusse nur für rund 200 Kilometer am Tag reicht, nützt mir das also eher wenig.“ Die 16-jährige Franziska aus Hessen stellt zudem fest, dass erst einmal Millionen Euro investiert werden müssen, bis sich ein Energiewende-Projekt wieder refinanziert hat. Auch hierfür fehle schließlich das Geld.
Die Mikrofone arbeiten auf Hochtouren. Allgemeiner Tenor dieser konspirativen Schülertagung: Die Menschen müssen sich die Energiewende auch leisten können, jedoch ist die Forschung noch nicht so weit, um in Massenproduktion produzieren zu können und somit beispielsweise die Preise für eine Hybrid-Bus-Fahrkarte zu senken. In diesem Sinne könnte Deutschland mit seinen zahlreichen Projekten ein Vorreiter für Europa sein, denn wenn alle Länder mitziehen, würde die Energiewende für viele Menschen auch bezahlbarer werden.

Und das Ergebnis?

„Wir kommen alle aus verschiedenen Schulen und Bundesländern. Das merkt man nicht zuletzt daran, dass wir alle völlig unterschiedliche Vorkenntnisse zu den erneuerbaren Energien haben“, so die 18-jährige Julia. „Deshalb ist es umso wichtiger, diese Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.“

 

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